Nichts gelernt

Ich komme gerade von einer Weihnachtsfeier und die Gedanken sind noch frisch in meinem Kopf.

Ein Mann erzählte von seinen Kindheitserlebnissen mit knapp 14 Jahren aus dem 2. Weltkrieg. Von rechteckigen Phosphorstangen die über deutsche Häuser abgeworfen wurden und diese dann entzündeten. Von einer langen Reise auf Güterwagons wenige Tage nach Kriegsende, durch ein zerstörtes Deutschland, durch mehrere Besatzungszonen hindurch. Von abgemagerten KZ-Häftlingen und Gesprächen mit Juden, die darüber berichteten, dass in den Lagern Juden von Juden bewacht und schikaniert wurden.
Und er erzählte über die Alpträume, die ihn heute, nach 65 Jahren immer noch plagten.

Alle am Tisch hörten gespannt zu und als er langsam zum Ende kam mit seinen Erzählungen, herrschte für einige Minuten immer noch eine betroffene Stille.
Auch ich war ergriffen, von seinen Erlebnissen und umso mehr quälte mich eine brennende Frage, die ich, seit ich denken kann in mir trage.
Und natürlich konnte ich mich nicht zurückhalten und musste diese Frage stellen:

Nach all dem Leid, welches die Juden durch uns erfahren haben und nach all dem Leid, was auch das deutsche Volk erfahren hat, wieso ist es dann immer noch möglich, dass wir weiterhin Kriege führen ? Was hat Deutschland in Afghanistan verloren ?
Und weshalb ist Israel ein Apartheidstaat und befürwortet Arbeitslager für Immigranten, obwohl sie es doch eigentlich besser wissen müssten ?

Und als wenn all diese Schrecken und Alpträume die der alte Mann durchlebt hatte, nie existiert hätten, erhielt ich eine ernüchternde und hoffnungslose Antwort.
Es war die gleiche Argumentation, die in den Medien verbreitet wird, die Propaganda die aus Amerika gestreut wird und der auch Barack Obama verfallen ist.
Der Terror aus Afghanistan gefährdet den Weltfrieden, der Iran bastelt an einer Atombombe und die Natosoldaten führen keinen Krieg. Sie bauen das Land neu auf und verhelfen ihm zur Demokratie.

Ich war ein wenig irritiert und gab zu bedenken, dass wir doch dieses Elend, diese Situation herbeigeführt haben.
Erst Russland in einem jahrelangen Krieg. Dann durch pakistanische und afghanische Söldner mit ihrem Anführer Osama Bin Laden, die durch die Amerikaner ausgebildet und bezahlt wurden, um die Russen zu schwächen.
Und dann wiederum direkt durch das amerikanische Militär, um die Söldner, sprich Taliban, zu bekämpfen mit Hilfe von Natoverbündeten.

Es würde zu weit führen die ganze Diskussion hier niederzuschreiben, aber es gab einen Trost:
Der überwiegende Teil in dieser Runde teilte die Auffassung, dass dieser Krieg und nicht nur dieser, dass alle Kriege in der Welt, ein grosses Unrecht sind. Krieg führt niemals zum Frieden, ansonsten hätten wir ihn ja, nach all den Jahrtausenden, in denen wir Kriege führen.

Deutschland wird nicht am Hindukusch verteidigt, sondern wir führen ganz eindeutig einen nicht legitimierten Angriffskrieg, gegen ein Land, dessen Bevölkerung, Kultur und Religion wir nicht kennen und verstehen.
Wir versuchen einer fremdartigen Kultur unsere westlichen Wertvorstellungen aufzuzwingen, aus niederen und habgierigen Motiven.
Wir müssen jedem Land auf dieser Erde gestatten, dass es sich selbst weiter entwickelt. Nur so ist gewährleistet, dass ein Volk aus den Fehlern lernt und sie auch versteht.

Mag sein, dass uns die Alliierten von einem Diktator befreit und den 2. Weltkrieg beendet haben. Doch haben wir nichts daraus gelernt, weil die Vergangenheitsbewältigung und die nötigen Lernprozesse nicht stattgefunden haben. Uns wurde eine angeblich liberale Demokratie indoktriniert, von einem Land, was selbst noch nicht demokratisch und von Kriegen und Korruption überschattet ist. Und genau dieser Widerspruch ist es, der uns in schuldbewusster Dankbarkeit erstarren lässt und eine Heilung und Versöhnung mit uns selbst verhindert.

Wir müssen uns endlich vom grossen Bruder lösen und erwachsen werden, auch wenn das mit Schmerzen und Ächtung verbunden ist. Und diesen Weg können wir nur allein gehen, um zu uns selbst, dem Land der Dichter und Denker zurückzufinden.

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