Gaddafis letzter Auftritt

Oberst Muammar al-Gaddafi, viele haben ihn belächelt, alle haben ihn hofiert. Gerhard Schröder, Tony Blair, Condoleezza Rice, Wladimir Putin, Nicolas Sarkozy und der vielen mehr haben ihn empfangen oder besucht. Insbesondere amerikanische Firmen pflegten enge Geschäftsbeziehungen mit Libyen. Dow Chemical, Halliburton, Midrex Technologies, Motorola, Shell, United Gulf Construction, Valmont, Chevron, ConocoPhillips, Marathon Oil Corporation, Occidental Petroleum, um nur einige zu nennen.

2009 eröffnete Gaddafi sogar die Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York. Frankreich schloss 2007 Wirtschaftsverträge im Wert von 10 Milliarden Euro mit ihm ab. Der BND war 2006 in die Ausbildungsaffäre verwickelt. Das BKA hat Gaddafi schon seit 1979 im Personenschutz unterstützt. Europäische Banken haben über die USA Milliardengeschäfte mit Libyen abgewickelt. Und seit Jahren werden illegale Einwanderer vor den EU-Toren nach Libyen abgeschoben. Soviel zu Menschenrechten, wenn sie uns selbst betreffen.


Doch nun ist Schluss mit lustig und Libyen macht mit beim nordafrikanischen Länderdomino. Selbst unsere Kanzlerin ist schockiert und ruft es hinaus in die Welt:

Muammar al-Gaddafis Rede sei “sehr, sehr erschreckend” gewesen, sagte Angela Merkel in Berlin. An das Regime in Tripolis richtete die Bundeskanzlerin den eindringlichen Appell, sofort und konsequent auf den Einsatz von Gewalt gegen Demonstranten zu verzichten. Sonst werde Deutschland sich dafür einsetzen, dass die internationale Gemeinschaft alle Möglichkeiten nutze, um Druck auszuüben – inklusive Sanktionen.

Erschreckend finde ich allerdings, dass der Diktator all die Jahre zuvor nicht abschreckend genug war, um mit westlichen Oligarchen zu paktieren. Allein deshalb schon sollte Angie den Mund nicht zu voll nehmen, denn schliesslich ist Libyen Deutschlands drittwichtigster Öllieferant. Aber da mache ich mir bei unserer Bundeskanzlerin keine Sorgen… 😉 

Doch auch der EU fehlt es an Rückgrat:

Bei einem Treffen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel war die Verhängung von Sanktionen gegen Libyen allerdings gescheitert – vor allem am Widerstand Italien und Malta. Italien unterhält enge Wirtschaftskontakte zu Libyen und fürchtet zudem neue Flüchtlingsströme aus Nordafrika.

Aber um sich nicht völlig die Blösse zu geben, wurden dann noch schnell ein paar Sprechblasen aufgepumpt:

Nur eine “klare Politik gegen den menschenverachtenden Kurs” Gaddafis könne Libyens Bevölkerung helfen, sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP).

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy forderte “konkrete Sanktionen” gegen die Regierung in Tripolis.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warf der libyschen Führung “Völkermord” vor.

Spaniens Außenministerin Trinidad JimĂ©nez erklärte, Gaddafi habe mit der Bombardierung der eigenen Bürger “jede Legitimität” verloren.

OlĂ©, gut gebrüllt, aber dem Volk wird es nicht helfen, denn sie werden die Suppe auslöffeln müssen.

Was mich aber wirklich stutzig macht, ist die angebliche nordafrikanische Revolution, die wie ein Buschfeuer um sich brennt, in verschiedenen Staaten, die soviel gemein haben wie Malta und Schweden. Und da formiert sich ganz tief aus der Volkesseele ein Widerstand gegen seine Diktatoren ? Tunesien, Ägypten, Algerien, Jemen, Bahrain, Libyen… und was kommt als nächstes ? Und bis jetzt sind in Tunesien und Ägypten nur die Puppen ausgetauscht worden. Und wann geben sich die Puppenspieler zu erkennen ? Wahrscheinlich nie, denn das würde wohl ein weltweites Buschfeuer entfachen…

Wer diesem Wink mit dem Zaunpfahl nachgehen möchte, sollte sich vielleicht diese Seite anschauen. Canvasopedia rekrutiert weltweit friedliche Demos mit dem Ziel, die Machthaber zu stürzen. Ein Schelm, wer jetzt böses denkt, z. Bsp., dass die USA damit in Verbindung stehen könnten…

Demoflyer aus Ägypten      /       Flyer aus Bahrain

(Canvaslogo)

Weitere Infos:

Immer diese Gaddafis

Mit dem Zelt in New York

Live-Blog: Aktuelle Lage in Libyen

Gaddafi erklärt seinem Volk den Krieg

USA dementieren Verwicklung in Revolte

Europas willige Freundschaft mit Diktatoren

Vom tollwütigen Hund zum geschätzten Partner

Auf der Suche nach einer “Afrikanischen Revolution”

Saudiarabiens König Abdullah kehrt mit Geschenken zurück

30 Jahre Libyen-Affäre: Was ist mit Pakistan, China, Afghanistan?

Der israelisch-ägyptische Frieden und die neue imperialistische Ordnung im Nahen Osten (September 1979)

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3 Comments

  1. Wavatar ebook says:

    Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag wird vorerst keine Ermittlungen wegen der Gewalt gegen Demonstranten in Libyen einleiten. „Die Entscheidung, für Gerechtigkeit zu sorgen, liegt beim libyschen Volk“, sagte Chefankläger Luis Moreno-Ocampo. So ist es. Wenn die Libyer frei sein wollen, müssen sie selbst ihre Fesseln ablegen und für ihre Freiheit kämpfen.

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