Afrika – Hunger / Revolution / Business – Merkel

Dieser Tage ist unsere Bundeskanzlerin auf Stippvisite nach Afrika. Kenia, Angola und Nigeria in drei Tagen stehen auf dem Programm. Dass es dabei nicht um Erholung geht, sondern vorrangig um wirtschaftliche Interessen, demonstriert Frau Kanzlerin allein schon durch ihre Reisebegleitung von Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner, Abgeordneten und einer Wirtschaftsdelegation.

“Die deutsche Wirtschaft erhofft sich von der Kanzlerin Engagement für einen weiterhin freien Zugang zu Afrikas Rohstoffen”, sagte Wansleben, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). (1)

Und so jubelt auch die deutsche Presse vom afrikanischen Wirtschaftswachstum von fast fünf Prozent. (6) Hab ich das was verpasst ? Nordafrika befindet sich in Bürgerkriegen und Ostafrika wird zur Zeit von einer schlimmen Hungersnot heimgesucht. Ok, Angola und Nigeria verfügen über einige Öl- und Gasvorkommen, aber das kommt wohl weniger der eigenen Bevölkerung zu Gute.

Und um Öl in Kenia geht es natürlich auch nicht, denn was man nicht hat… Aber auf der zum UNESCO-Welterbe gehörenden Insel Lamu, vor der Küste des ostafrikanischen Staates gelegen, soll ein Hafen entstehen, über den Erdöl aus dem benachbarten Südsudan in alle Welt transportiert werden soll. Bisher geschah das über Port Sudan in der Republik Sudan. Doch leider hat sich der Süden letzte Woche für unabhängig erklärt und somit sind weitere Lieferungen auf Dauer nicht sicher. (3)

Die Kinderprostitution in Kenia hat laut einem UNICEF-Bericht dramatische Ausmasse angenommen. Fast ein Drittel aller Mädchen zwischen 12 und 18 Jahren hätten bereits Sex gegen Geld oder Geschenke gehabt. Ausserdem werden nach wie vor noch Genitalbeschneidung bei Frauen durchgeführt. Korruption kann in Kenia in allen Regierungsperioden der drei bisherigen Präsidenten Kenyatta, Moi und Kibaki beobachtet werden. Im Korruptions-Index (Corruption Perceptions Index; CPI) von Transparency International rangiert Kenia unter 178 Ländern an 154. Stelle.

Korruption steht in Nigeria ebenso auf der Tagesordnung und so geht der wirtschaftliche Aufschwung an der einheimischen Bevölkerung beinahe komplett vorbei. Nigeria liegt im Korruptionswahrnehmungsindex 2010 der Organisation Transparency International auf Platz 134 von 178 Ländern (Anmerkung: auf Platz 178 ist der korrupteste Staat!) Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt in extremer Armut und muss mit weniger als einem US-Dollar am Tag auskommen.

In Angola sieht es nicht viel anders aus. Menschenrechte ? In Wirklichkeit werden Menschen mit anderen Ideen (als jene der Regierung) verfolgt und festgenommen. Das Kundgebungsrecht existiert nicht“, klagte David Mendes von der Organisation „Associação Mãos Livres“ (Vereinigung der Freien Hände). In einigen Gemeinden ist es Frauen traditionell untersagt, eigenes Land zu besitzen und dieses zu kultivieren.

In Angola haben deutsche Firmen im vergangenen Jahr 263 Millionen Euro umgesetzt, in Nigeria 1,1 Milliarden Euro und in Kenia 284 Millionen. (5)

Ah-, und natürlich geht es bei dem Besuch unserer Kanzlerin auch um die „Seltenen Erden“, also „seltene Metalle“. Der Abbau von Seltenen Erden, welche zum Teil selbst giftig sind, erfolgt über Säuren, mit denen die Metalle aus den Bohrlöchern gewaschen werden. Der dabei vergiftete Schlamm bleibt zurück. Und, der Abbau von Vorkommen von Seltenen Erden ist sehr kostenintensiv. Mit kostenintensiv ist jetzt nicht der Naturschutz, oder Schutz der Arbeiter gemeint. (2)

Statt die strukturelle Abhängigkeit Afrikas als Rohstofflieferant zu verringern, setzt unsere Regierung mit ihrer Rohstoff-Strategie weiterhin alles daran, möglichst viele Quellen abzuschöpfen. Kenia, Angola und Nigeria sind allesamt wirtschaftliche Schwergewichte in Afrika. Aber anstatt sich für faire Handelsbeziehungen und das Entstehen lokaler Märkte einzusetzen erpresst unsere Bundesregierung – zusammen mit der Europäischen Union – weiterhin Afrikas Regierungen bei den Verhandlungen um neue Wirtschaftsabkommen. –  Globalisierung in reinster Form auf Kosten der ohnehin schon gebeutelten Bevölkerung! (4)

Gleich nebenan von Kenia, am Horn von Afrika, bahnt sich derweil die schlimmste Dürre seit 60 Jahren an. Über 10 Millionen Menschen sind davon betroffen, am schlimmsten die Menschen in Somalia. (1)

Viele flüchten nach Äthiopien, wo aber auch schon mehr als 4 Millionen Menschen vom Hunger bedroht sind. Ende Juni stieg die Zahl der Flüchtlinge aus Somalia in den äthiopischen Lagern von 5.000 monatlich auf 30.000. Bereits täglich 3000 Flüchtlinge aus Somalia, 80 Prozent Frauen und Kinder, kommen alleine in das Lager Dadaab in Nordkenia, in dem sich jetzt mehr als 380.000 Menschen, eine Großstadt also, aufhalten. Geplant war das Flüchtlingslager eigentlich für 90.000 Menschen.

Die Welternährungsorganisation FAO, das Welternährungsprogramm WFP und Oxfam fordern die Weltgemeinschaft dringend zur Hilfe auf. Anders als bei Katastrophen, die schnell geschehen und dramatische Bilder liefern, würden lange sich hinziehende Krisen wie die Dürre am Horn von Afrika kaum Beachtung finden, obwohl hier Millionen von Menschen hungern und zu wenig Trinkwasser haben. Man hätte schon letztes Jahr handeln müssen, um eine schlimme Katastrophe zu vermeiden. Fast unnötig zu erwähnen, dass explodierende Lebensmittel auf dem Weltmarkt, fociert durch Börsenspekulaten, die Krisen mit herraufbeschworen haben.

Nein, dorthin reist unsere Kanzlerin natürlich nicht, zwar spendete unsere Regierung eine Million Euro für das Flüchtlingslager Dadaab in Kenia, gemessen an den 284 Millionen Euro, die deutsche Firmen im letzten Jahr dort umsetzten, und den Milliarden, die wir maroden Banken in den Hintern geschoben haben, noch nicht einmal ein Tropfen auf dem heissen Stein.

Merkel selbst hatte vor ihrem Abflug nach Afrika gesagt: „Ich möchte ein Zeichen setzen, dass Deutschland die Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent sehr ernst nimmt; dass wir zunehmend zu einer gemeinsamen Partnerschaft kommen und auf gemeinsamer Augenhöhe zusammenarbeiten.“ (5)

So, so auf Augenhöhe ?! Ich glaube nicht, dass sie den verhungernden Menschen am Horn von Afrika in die Augen schauen kann. Ich denke, sie meinte damit wohl: Schwarz-Geld und profitgeile Firmen arbeiten vorzüglich mit korrupten afrikanischen Regierungen zusammen. Auf Augenhöhe eben…

Aktion Deutschland Hilft e.V.
Spendenkonto: 10 20 30
Bank für Sozialwirtschaft, Köln
BLZ 370 205 00
Verwendungszweck: Hunger in Ostafrika
Spenden aus dem Ausland:
IBAN DE29370205000008322501
BIC: BFSWDE33XXX

Update 25.07.2011:

Somalia – USA sorgen für Kriege, Folter und Hunger

Update 14.07.2011:

Deutschland will Angola mit sechs bis acht Patroullienboote aufrüsten, Stückpreis rund 25 Millionen Euro vom Bremer Unter­nehmer Fried­rich Lürssen. So gross können Hunger und Armut nicht sein, dass nicht doch noch etwas für Kriegsspielzeug übrig bleibt. Hier ein sehr ausführlicher Bericht auf Politblog:

Eben­falls schon lange ist bekannt, dass Berlin nicht nur Rüs­tungs­lie­fe­rungen, son­dern auch eine umfas­sen­dere Mili­tär­ko­ope­ra­tion mit Angola anstrebt. Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren traf der dama­lige deut­sche Ver­tei­di­gungs­mi­nister Franz Josef Jung in Berlin mit seinem ango­la­ni­schen Amts­kol­legen, General Kundi Paihama, zusammen. Wie das Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rium damals berich­tete, stand die Ent­wick­lung mili­tär­po­li­ti­scher Bezie­hungen zwi­schen den beiden Län­dern im Mit­tel­punkt der Gespräche.

Mehr Infos und Quellen:

Hungerskatastrophe am Horn von Afrika – Hilfe für Hungernde statt für deutsche Exporte

Schlimmste Hungerkatastrophe der Welt” am Horn von Afrika 1

Zwischen Hungersnot und Wirtschaftsinteressen 2

Zwischenruf : Merkel in Afrika: Ick bin all hier! 3

Deutschland verpasst die Afrika-Chance

Merkels Afrika-Politik auf Abwegen 4

Somalia: Es gibt nichts mehr zu essen

Somalia: Ein Land ohne Hoffnung

Merkel knüpft Kontakte in Afrika 5

Angela nach Angola 6

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