In Münster ist’s finster -Teil 2- / Unmenschliche Behördenwillkür

Letztes Jahr um diese Zeit schneite es unaufhörlich mehrere Tage in Münster, was für diese Stadt sehr ungewöhnlich ist und wohl deshalb die Räumdienste überfordert waren und den Schnee einfach liegen liessen.

Dieses Jahr schneit es nicht, im Gegenteil, wir haben fast frühlingshafte Temperaturen und das Ende November. Dafür herrscht aber in einigen Münsteranern Amtsstuben eisige Kälte und auch hier wäre es dringend erforderlich einige erfrorene Beamtenherzen zu räumen.

Die nun nachfolgende Geschichte beruht auf Tatsachen und ist nicht erfunden. Sie ist so skandalös, dass es mir schwer fällt die Verantwortlichen nicht beim Namen zu nennen und öffentlich an den Pranger zu stellen, damit diesen „Menschen“ vielleicht mal bewusst wird, wie unbarmherzig so ein Beamten/Innenleben sein kann, wenn man Menschen nur als Sachleistungen betrachtet und die einzelnen Schicksale einfach ausblendet.

Es geht um einen Mann, nennen wir ihn Otto Schmidt*, der einen schweren Arbeitsunfall hatte und nur knapp dem Tode entkommen ist. Dafür musste er mehrere Operationen in Kauf nehmen und wird wohl nie wieder ganz gesund werden. Doch damit nicht genug, nach 78 Wochen bekam er von der Berufsgenossenschaft (BG) einen Bescheid, dass die Leistungen (Verletztengeld) eingestellt werden. Das ist anscheinend ein ganz normaler Automatismus, denn das ist der maximale Zeitraum in dem die BG Leistungen bewilligt. Allerdings nur, wenn die Behandlungen abgeschlossen sind. Doch Herr Schmidt befand sich immer noch in stationärer Behandlung und wartete auf seine 14. Operation. Somit hätten die Zahlungen seitens der BG weiter erfolgen müssen (§46 (3) 1 und 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch). Es kamen auch noch weitere Faktoren dazu, die hier jetzt nicht im einzelenen aufgelistet werden.

Doch wie schon Eingangs erwähnt, in Behörden sitzen meist keine Menschen die sich mit Einzelschicksalen beschäftigen, sondern der Bürokratenautomatismus nahm seinen behäbigen, schäbigen Lauf. Herr Schmidt bekam nur lapidar mitgeteilt, dass nun die Arbeitsagentur für ihn zuständig sei und keine weiteren Zahlungen zu erwarten seien.

Tja, für einen gesunden Menschen vielleicht kein grosses Problem, aber wie soll sich ein kranker, an ein Bett gefesselter Mensch, bei der Arbeitsagentur (AG) melden ? Und arbeitslos ? Herrn Schmidt wurde doch nicht gekündigt !

-Schriftlich !-

Sollte man meinen, dass das ausreicht, oder telefonisch ?! Nein, natürlich nicht, schliesslich haben wir es mit einer deutschen Behörde zu tun. Arbeitslos melden ist nur persönlich möglich, nach telefonischer Auskunft der Arbeitsagentur Münster. Dass Herr Schmidt krank ist, ist leider sein persönliches Pech, aber es gibt ja schliesslich Sozialdienste in den Krankenhäusern, die können das auch übernehmen. Dumm nur, dass Herr Schmidt zwischenzeitlich in ein anderes Krankenhaus verlegt  und nach vier Wochen wieder zurückverlegt wurde. Denn dann ist der Sozialdienst des zweiten Krankenhauses nicht zuständig für die Übergangszeit. Das erste Krankenhaus ist leider auch nicht zuständig, da Herr Schmidt ja zur Zeit im zweiten Krankenhaus liegt. Das ist jetzt kein blöder Witz meinerseits, sondern das sind die Originalaussagen der Sozialdienste in den betreffenden Krankenhäusern.

Herr Schmidt ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Seine alte Mutter lebt in Süddeutschland. Also was tun ? Zur Zeit gibt es keinerlei Einkommen, aber Miete und Nebenkosten laufen ja weiter ?! Zum Glück gibt es Freunde und Arbeitskollegen. Also nix wie hin zur Arbeitsagentur. Doch die Ernüchterung folgte auf dem Fusse. Nicht genug, dass man sich mit einer leicht angesäuerten „Sachbearbeiterin“ rumschlagen musste, die fehlende Unterlagen monierte und überhaupt nicht realisierte, dass „ihr Fall“ im Krankenhaus liegt und keine Unterlagen vorbringen kann, als Krönung stellte sich auch noch heraus, dass die AG noch gar keine Anträge verschickt hatte, die sie eigentlich laut telefonischer Zusage Herrn Schmidt zukommen lassen wollte.

Aber der Spiessrutenlauf geht noch weiter. In einer anderen Abteilung wurde man dann gewahr, dass das alles nicht so einfach ist. Wem sagen sie das ? Und wer ist schlimmer dran ? Die AG, die völlig überfordert ist und nicht weiss, ob Herrn Schmidt Leistungen zustehen, oder ob nicht doch die Rentenanstalt zuständig ist, oder Herr Schmidt, der kein Geld hat, dem evtl. die Wohnung gekündigt wird und der nicht weiss, ob er die nächste Operation überleben wird ?

Man einigte sich erst einmal auf dutzende Formulare die ausgefüllt werden müssen und natürlich Bescheinigungen, ärztliche Arteste usw. OK, aber wie geht es in der Zwischenzeit weiter, wie bekommt Herr Schmidt seine Miete bezahlt ?

„Da können sie Überbrückungsgeld im Jobcenter, am anderen Ende der Stadt beantragen. Ich gebe ihnen hier eine schriftliche Bestätigung von uns mit.“

Nun, wer jetzt glaubt, damit wäre ja der grösste Druck vom Patienten genommen, der hat noch nie den Amtsschimmel wiehern hören. Das Jobcenter ist eigentlich nur der verlängerte Bürokratenarm der Arbeitsagentur, um notleidende Menschen weiterhin hinzuhalten, damit diese am Ende entnervt aufgeben und auf ihre Ansprüche freiwillig verzichten. Denn wie ist es sonst zu erklären, dass sich die gleiche Prozedur von Anträgen, Formularen und Bescheinigungen wiederholte und es wirklich niemanden interessierte, dass Herr Schmidt krank ist, ans Bett gefesselt ist und allein schon durch die hohe Schmerzmedikamentation nicht in der Lage ist, seitenweise Formulare auszufüllen?! Mal davon abgesehen, dass das schon eine demütigende Zumutung für gesunde Menschen ist, geschweige denn, dass dieses Beamtenkauderwelsch selbst für Abiturienten unverständlich ist.

Aber all das interessiert niemanden. Weder irgendwelche Sozialdienste, noch Krankenhäuser, weder die Berufsgenossenschaft, noch Behörden und Agenturen ist das Wort Mensch und Schicksal bekannt. Und als Bestätigung des Ganzen erhielt Herr Schmidt zweimal die Aufforderung von der Arbeitsagentur, er habe sich dann und dann einzufinden, wegen einer Jobvermittlung. Und natürlich kamen auch noch etliche Anträge wieder zurück, weil fehlerhaft ausgefüllt.

Aber wenn du glaubst, schlimmer geht es nicht mehr, dann kommt von irgendwo ein Anwalt daher. Denn zwischenzeitlich hat Herr Schmidt einen Rechtsanwalt beauftragt ihn zu vertreten, der aber kürzlich sehr unpässlich wirkte und angeblich keine Unterlagen mehr besitzt. Oder vor wenigen Tagen erhielt Herr Schmidt eine Rechnung von fast 3000.- Euro für den zweiten Überbrückungs-Krankenhausaufenthalt.

Natürlich sind Freunde und Arbeitskollegen auch involviert und bemüht das Martyrium etwas zu lindern mit Hilfen und Geldspenden. Herr Schmidt geht kommende Woche in die REHA. Er wird wahrscheinlich nie wieder ganz gesund werden, auch psychisch hat ihn das Ganze in den letzten zwei Jahren sehr mitgenommen. Und dann dazu noch die behördlichen Schikanen. Wie gesagt, dieses Schicksal hat sich wirklich zugetragen und läuft noch, bisher ohne Aussicht auf Erfolg! Die Namen von den SachbearbeiterInnen, den Krankenhäusern, Sozialdiensten usw. sind bekannt und sogar schriftlich fixiert, teilweise durch die Behörden und Institutionen selbst.

Es wäre mir wirklich eine Freude sie öffentlich zu nennen, aber solche wissen sich immer zu wehren und würden die Unmenschlichkeit eher in der Veröffentlichung sehen, als in ihrem Verhalten selbst. Wahrscheinlich würden diese Prozesskosten ein vielfaches der Kosten übersteigen, wenn man Herrn Schmidt nur das zahlen würde was ihm zusteht.

(*Der wahre Name wurde natürlich in Otto Schmidt geändert)

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