Tunesien, kein schöner Land

(Quelle: Brian Whitaker)

Zuerst dachte ich, das Auswärtige Amt hätte den Artikel gelöscht, als der Link aus einem früheren Post von mir ins Leere verwies. Doch nein, die Adresse hat sich nur geändert und die Beziehungen zwischen dem tunesischen Diktator Zine El Abidine Ben Ali und Deutschland sind weiterhin ausgezeichnet.

Dabei sind die politischen Verhältnisse in dem tunesischen Urlaubsparadies genauso alarmierend wie im Iran. Doch der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Staaten ist, dass Tunesien pro westlich ausgerichtet ist und gegen die Islamisierung ankämpft. Und somit paktiert  unsere Bundesregierung mit dem Diktator weiterhin Hand in Hand:

Das Land (Tunesien) verfolgt in außenpolitischen Fragen einen gemäßigten und auf Ausgleich bedachten Kurs. Grundanliegen der tunesischen Außenpolitik sind Friedenssicherung, Konfliktverhütung, Terrorismusbekämpfung, internationale Zusammenarbeit und Armutsbekämpfung.

Eine Grundkonstante der tunesischen Außenpolitik sind die Beziehungen zur Europäischen Union. Wichtigste EU-Partner Tunesiens sind Frankreich, Deutschland und Italien.

Zu den USA unterhält Tunesien freundschaftliche Beziehungen. Diese manifestieren sich in einer vertieften wirtschaftlichen, politischen und sicherheitsrelevanten Zusammenarbeit. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 betonte Tunesien seine Zugehörigkeit zur Antiterrorallianz.

Seit 23 Jahren wird der Polizeistaat Tunesien vom Diktator Zine El Abidine Ben Ali regiert. Bisher konnte sich Ben Ali in Sicherheit wiegen, Wahlen wurden nur zum Schein des Westens abgehalten, denn wie sonst sind Wahlergebnisse von 90% und mehr zu erreichen ? Ausserdem sind seine Paläste aufs Schärfste gesichert und mit einer Bannmeile versehen.

Doch nun werden die Proteste lauter und gipfelten in mehreren Selbstverbrennungen einiger Demonstranten. Und nicht nur wegen der hohen Arbeitslosigkeit im Lande, wie da so einige Westmedien zu beschönigen versuchen.

Wie aussichtslos und unbarmherzig muss die Politik eines Landes sein, wenn Menschen lieber den Freitod wählen, als weiterhin die Misstände in ihrem eigenen Land zu tolerieren ?

Natürlich werden die Widerstände brutal niedergeknüppelt, Opposition und kritische Pressestimmen verschwinden im Gefängnis, wo man auch mit Folter nicht zimperlich ist. Vor ein paar Stunden liess die Regierung alle Schulen und Universitäten schliessen. Und heute Mittag verkündete der Diktator in einer Ansprache, dass er die Proteste aufs Schärfste verurteile und gegen die Demonstranten mit aller Härte vorgehen werde. Über 20 Tote, unzählige Verletzte und Verhaftungen bestätigen den Ernst seiner Worte.

Ebenso wird das Internet blockiert, vornehmlich ausländische Seiten mit kritischen Berichterstattungen, aber auch Facebook und Twitter. Der tunesische Censor, umgangssprachlich Ammar 404, hat auch zahlreiche eMail-Konten gehackt und Blogs gesperrt.

Doch bei all dem kein Aufschrei des Westens. Wo sind denn nun die kritischen Stimmen, die sonst Sodom und Gomorra schreien, wenn es darum geht Kriege in Ex-Jugoslawien, im Irak und Afghanistan anzuzetteln ? Selbst Amnesty International prangert seit Jahren die unmenschlichen Zustände in Tunesien an.

Das auch für unsere Bundeskanzlerin Diktator nicht gleich Diktator ist, zeigen nachfolgende Worte sehr eindrucksvoll:

Deutschland steht auf Seiten der Menschen, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit ausüben wollen”, erklärte die Kanzlerin laut einer Mitteilung. Sie forderte die Führung zudem “nachdrücklich” auf, friedliche Demonstrationen zuzulassen, keine Gewalt gegen Demonstranten anzuwenden, inhaftierte Oppositionelle freizulassen und eine freie Berichterstattung der Medien zuzulassen.

Diese Worte kamen letztes Jahr im Juni über die Lippenbekenntnisse unserer Kanzlerin anlässlich der umstrittenen Wiederwahl von Mahmud Ahmadinedschad. Und über Tunesien ? Kein Wort…

Wer noch mehr erfahren möchte, sollte sich den Blog von Brian Whitaker zu Gemüte führen.

Proteste in Tunesien

(Quelle: Al Jazeera)

Weitere Infos u. Quellen:

Tunesiens Diktator schlägt zurück

Nordafrika in Aufruhr (Algier / Tunis)

Tunisia Uprising Vs Iran Election Aftermath

Links and reflections on Tunisia

Al Jazeera Tunisia Spotlight

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