Die wahren Terroristen des Krieges

Die wahren Terroristen – US-Soldat Mike Prysner

„Mein Name ist Mike Prysner. Ich trat der Army an meinem 18. Geburtstag im Juni 2001 bei und absolvierte dort den Grunddienst. Ich wurde der 10. Mountain Division zugewiesen, im März 2003 wurde ich dann mit der 173. Airborne Brigade im Nordirak eingesetzt.“

Wie der Rassismus nach 9/11 wieder salonfähig wurde

„Als ich in die Army kam wurde uns gesagt, dass es im Militär keinen Rassismus mehr gebe. Das Erbe von Ungleichheit und Diskriminierung soll urplötzlich von etwas beseitigt worden sein, das sich Equal Opportunity Program (EO) nennt. In jedem Kurs gab es einen EO-Repräsentanten, der darauf achtete, dass der Rassismus nicht wiederauflebte. […] Nach dem 11. September hörte ich dann aber Worte wie Handtuch-Kopf und Kamel-Jockey und, am meisten verstörend, Sand-Nigger. Diese kamen nicht von meinen Kollegen, sondern von Vorgesetzten: Platoon Sergeant, Company First Sergeant und Bataillon Commander. Bis in die höchste Hierarchie waren diese Begriffe plötzlich akzeptiert.

Ich bemerkte, dass die offensichtlichsten rassistischen Äußerungen von Veteranen der 1. Golfkrieges kamen. Diese Worte benutzten sie, wenn sie zivile Autokonvois kontrollierten, wenn der Befehl zum Angriff auf zivile Infrastruktur kam (z.B. die Wasserversorgung), als die Regierung die Sanktionen gegen den Irak verhängte. […]

Ich habe gerade erfahren, dass wir über eine Million Iraker seit der Invasion getötet haben. Aber wir haben bereits in den 90ern noch eine Million getötet durch Sanktionen und Bombardierungen. Die wahre Zahl wird noch höher sein.”

Psychologische Gewalt durch Dehumanisierung und Verunglimpfung

„Als ich 2003 in den Irak kam, lernte ich ein neues Wort: Hajji. Hajji war der Feind. Hajji war jeder Iraker. Es war keine Person, ein Vater, ein Lehrer, ein Arbeiter. […] Es ist wichtig zu verstehen, dass sich das Wort aus der Pilgerfahrt nach Mekka, der Haddsch [Haj] ableitet und dass die Pilgerfahrt Hajji heißt. Wir haben also ein traditionell heiliges Wort im Islam genommen und damit in den Schmutz gezogen.

Aber die Geschichte beginnt nicht mit uns Soldaten im Irakkrieg, seit der Gründung der USA wurde Rassismus als Technik für Expansion und Unterdrückung benutzt. Die amerikanischen Ureinwohner nannte man Wilde. Die Afrikaner wurden wer weiß wie genannt, um die Sklaverei zu rechtfertigen. Und Vietnam-Veteranen kennen eine Fülle von Worten, die ihren imperialistischen Krieg begründeten. Hajji war also das Wort, das wir benutzten. […]

Ich werde nun über eine bestimmte Mission sprechen, bei der uns gesagt wurde, dass wir eine Gruppe von Wohnhäusern in unseren Besitz nehmen und die darin lebenden Familien vertreiben sollten. Wir gingen also zu den Häusern und informierten die Familien, dass ihre Häuser nicht mehr länger ihnen gehörten. Wir gaben ihnen keine Alternative, nichts, wo sie hätten hingehen können, keine Entschädigung. Sie waren verwirrt, hatten große Angst und wussten nicht, was sie tun sollten. […] Wir verhafteten einen alten Mann, der sich weigerte zu gehen. Zu der Zeit wusste ich nicht, was mit Menschen passierte, wenn wir ihnen die Hände hinter ihrem Rücken zusammenbanden und einen Sack über den Kopf zogen.“

Folterähnliche Befragungen

„Einige Monate später sollte ich es herausfinden. […] Ich wurde für Befragungen eingesetzt, von denen ich hunderte mitmachte. Eine möchte ich erzählen, weil mir da klar wurde, welcher Natur diese Besetzung ist. Als ich den Gefangenen sah, war er bis zur Unterhose ausgezogen und stand mit einem Sack über dem Gesicht an einer Wand. Ich habe sein Gesicht nie gesehen. Meine Aufgabe war es, einen metallenen Klappstuhl gegen die Wand neben seinem Gesicht zu schleudern, während ein Kamerad immer wieder die gleichen Fragen stellte. Egal was er antwortete, meine Aufgabe war es, mit dem Stuhl gegen die Wand zu schlagen.

Wir fuhren solange fort, bis wir müde waren. Ich sollte darauf achten, dass der Gefangene an der Wand stehen bleibt. Mit seinem Bein war etwas passiert, er war verletzt und er fiel ständig hin. […] Der Sergeant wies mich an, ihn immer wieder aufzuheben. Ich hörte irgendwann damit auf und da wurde er wütend auf mich. Er warf den Gefangenen gegen die Wand, mehrmals, ging dann aus dem Zimmer, während der Gefangene wieder hinfiel. Ich bemerkte Blut, das unter dem Sack hervorquoll. Ich ließ ihn sitzen. […] Da wurde mir klar: Ich glaubte unsere Einheit vor dem Gefangenen schützen zu müssen, aber in diesem Moment musste ich den Gefangenen vor unserer Einheit schützen.“

Mitgefühl mit den Opfern und Schuldgefühle

„Ich versuchte, stolz auf meinen Dienst zu sein, aber ich konnte nur Scham empfinden, und auch der Rassismus konnte die Besetzung nicht länger maskieren. Das waren Menschen. Seitdem werde ich von Schuldgefühlen geplagt, wenn ich einen älteren Menschen sehe, wie den, der nicht laufen konnte und den wir auf eine Trage legten und der irakischen Polizei sagten, sie sollten ihn wegbringen. Ich fühle Schuld, immer wenn ich eine Mutter sehe mit Kindern wie die, die hysterisch schrieen, wir seien schlimmer als Saddam, als wir sie aus ihrem Haus vertrieben. Ich fühle Schuld, jedes mal wenn ich ein junges Mädchen sehe wie das, das ich am Arm hinaus auf die Straße zerrte.“

Identifizierung des eigentlichen Feindes

„Uns wurde gesagt, wir kämpfen gegen Terroristen, aber der wahre Terrorist war ich und der wahre Terrorismus ist diese Besetzung. Rassismus im Militär war lange ein wichtiges Werkzeug, um die Zerstörung und Besetzung eines anderen Landes zu rechtfertigen. Es wurde lange angewandt, um das Töten, die Unterwerfung und Folter eines anderen Volkes zu rechtfertigen. Rassismus ist eine mächtige Waffe, die von unserer Regierung eingesetzt wird. Es ist eine wichtigere Waffe als ein Gewehr, ein Panzer, ein Bomber oder ein Kriegsschiff. Er ist zerstörerischer als Artilleriegeschütz, ein Bunker-Brecher oder eine Tomahawk Rakete. Zwar werden all diese Waffen von der Regierung hergestellt und bezahlt, sie sind aber harmlos ohne die Menschen, die sie benutzen wollen.“

Ohne verblendete Soldaten gibt es keinen Krieg

„Die, die uns in diesen Krieg schickten, müssen nicht den Abzug ziehen oder eine Mörsergranate herumwuchten. Sie müssen den Krieg nicht kämpfen. Sie müssen den Krieg lediglich verkaufen. Sie brauchen eine Öffentlichkeit, die gewillt ist, ihre Soldaten auf den gefährlichen Weg zu schicken und sie brauchen Soldaten, die willens sind zu töten oder getötet zu werden, ohne zu fragen. Sie können Millionen für eine einzige Bombe ausgeben, aber diese Bombe wird erst zur Waffe, wenn das Militär der Anordnung Folge leistet, sie zu werfen. Sie können den letzten ihrer Soldaten in den letzten Winkel der Erde schicken, aber es gibt erst einen Krieg, wenn diese auch bereit sind zu kämpfen. Die herrschende Klasse, die Milliardäre, die vom menschlichen Leid profitieren, interessieren sich nur dafür, ihr Vermögen zu mehren, die Weltwirtschaft zu kontrollieren, aber sie verstehen, dass ihre Macht nur darin liegt, uns zu überzeugen, dass Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung in unserem Interesse liegt. Sie verstehen, dass ihr Reichtum abhängig davon ist, die Arbeiterklasse zu überzeugen, dass sie sterben müssen, um den Markt eines anderen Landes zu kontrollieren. Und das schaffen sie am besten, wenn sie uns glauben machen, dass wir irgendwie überlegen sind. Soldaten haben sonst keinen Nutzen aus dieser Besetzung.“

Krieg nützt niemals dem Volk

„Die Mehrheit der Amerikaner hat überhaupt keinen Nutzen von dieser Besetzung. Nein, wir leiden darunter. Wir verlieren Gliedmaßen, haben Traumata oder geben gar unser Leben. Unsere Familien müssen flaggengeschmückte Särge in die Erde lassen. Millionen Menschen hier leben ohne Krankenversicherung, Erwerbsarbeit oder Bildungschancen und müssen mit ansehen, wie die Regierung jeden Tag 450 Millionen Dollar für die Besetzung des Irak verprasst. Arme Arbeiter in diesem Land werden losgeschickt, um arme Arbeiter in einem anderen Land zu töten, um die Reichen reicher zu machen. Ohne Rassismus würden die Soldaten verstehen, dass sie mehr gemeinsam haben mit dem irakischen Volk als mit den Milliardären, die sie in den Krieg schicken. Ich habe Familien auf die Strasse gesetzt nur um nach Hause zu kommen und Familien in unserem Land zu sehen, die auf die Strasse gesetzt wurden in tragischen und unnötigen Zwangsversteigerungen. Nur um aufzuwachen und zu erkennen, dass unsere wahren Feinde nicht in entfernten Ländern sitzen, deren Kultur und Namen wir nicht kennen.

Der Feind sind Menschen, die wir sehr wohl kennen und mit denen wir uns identifizieren. Der Feind ist ein System, das Krieg führt, wenn er profitabel ist. Der Feind sind die Vorstandsvorsitzenden, die uns entlassen, wenn es profitabel ist. Es sind die Versicherungen, die uns Gesundheitsversorgung verweigern, wenn es profitabel ist. Es sind die Banken, die uns die Häuser wegnehmen, wenn es profitabel ist. Unsere Feinde sind nicht 5000 Meilen entfernt, sie sitzen direkt hier, bei uns zu Hause. Wenn es uns gelingt, uns mit den Brüdern und Schwestern zu verbinden, können wir diesen Krieg, diese Regierung stoppen und eine bessere Welt erschaffen.“

Quellen:

Original in English (democraticunderground.com)

Deutsches Transcript Mohrrübe

<Zur Startseite>

pixelstats trackingpixel

Tags: , , , , , , , , ,


Leave a Reply