Kapitalismus in reinster Form

Ja, ja – der Finanzcrash 2008 war nur ein kleiner Vorgeschmack, von dem, was uns noch erwartet. Das kommt nun ganz langsam auch bei der deutschen Presse an. Der Tagesspiegel schickt eine verwunderte und enttäuschte Frau Tissy Bruns ins Rennen, mit dem Titel, Die Welt ist aus den Fugen. Doch der Artikel offenbart nichts Neues, zumindest nicht für Leute, die die vier Grundrechenarten beherrschen.

Die Finanzwirtschaft durchdringt die Welt nun seit einem Vierteljahrhundert. Nicht finstere Diktaturen haben sie geschaffen. Sie ist ein originäres Kind der demokratischen, westlichen Nationen, die am Ende des letzten Jahrhunderts den ökonomisch Mächtigen die Fesseln ersparen wollten, die der Wohlstandskapitalismus ihnen auferlegt hatte. Verständlich.

Dieser neue Kapitalismus hat die Ideale und Stärken der Demokratien in einem Maß untergraben, wie kein äußerer Feind es gekonnt hätte. Die „Märkte“ sind zur Parallelgesellschaft des 21. Jahrhunderts geworden. Sie können jenseits der für alle anderen gültigen Maßstäbe von Haftung und Verantwortung handeln. Sie sind im Vorteil, denn sie kennen die Regeln der Vielen und nutzen sie zu ihrem Zweck, während die Vielen die Mechanismen weder durchschauen noch beherrschen können, mit denen Ratingagenturen ganze Staaten abstufen oder Hedgefonds mit Leerverkäufen auf Verlust und Niedergang von Nationen wetten. Sie sind immer im Vorteil, denn sie verdienen nicht nur an konstruktiven Erfolgen, sondern auch an Niederlagen und Pleiten.

Gut gebrüllt Löwin, aber viel zu spät. Der Kapitalismus ist kein Kind der Demokratie, oder durchdringt diese erst seit einem Vierteljahrhundert. Der Kapitalismus ist die Diktatur in seiner reinsten Form und geht mit den Oligarchen von Wirtschaft und Politik Hand in Hand, nicht nur in diesem Land. Er machte keinen Halt vor der Dritten Welt, die jahrzehntelang unter dem Diktat der westlichen Welt gelitten hat und er wird seine Schöpfer in “Ameropa” ebenso fressen und ruinieren. Die Spielcasinos dieser Welt, welche zum Schein den Namen Bank nach aussen tragen, haben schon lange nicht mehr die Kontrolle über ihr Tun, sondern werden nur noch zum Schein verwaltet von kranken, spielsüchtigen Spekulanten, die nach jedem Bankrott auf staatliche Sozialhilfe hoffen dürfen.

Der Ausverkauf der Staaten hat begonnen, aber dennoch braucht niemand hoffen, dass die Krankheit erkannt und ein Heilmittel gefunden ist. Auch die Politik hat sich infiziert, und ist abhängiger als ein Junkie, von dieser glitzernden Scheinwelt aus Lug und Betrug. Selbst der Bürger ist und bleibt nur ein Bürge, wie der Name schon sagt, und opfert seit Jahren seinen Verstand und seine Seele, als auch sein demokratisches Mitspracherecht dem schnöden Mammon. Und sollte es doch einmal  ein geistiges Aufblitzen geben, so weist ihn die Politik als Vollstrecker der Finanzjongleure in seine Schranken, verspielt zusätzlich seine sauer verdienten Steuergelder und steuert unterwürfig in den Staatsbankrott.  Somit wurde die Demokratie vollends zu Grabe getragen.

Einen schönen Artikel las ich auch auf dem Blog von Arno Schwatzer, Schöne neue Welt. Der Titel mag vielleicht auch angelehnt sein an den gleichnamigen Roman von Aldous Huxley, aber auch diese Welt war zum Scheitern verurteilt.

„Seltsamerweise“ gibt es in Sachen alternative Geldsysteme scheinbar keinerlei Diskussionsbedarf… …Eine mögliche Alternative wäre das Umlaufgeld von Silvio Gesell, das kein geringerer als John Maynard Keynes seinerzeit sogar als Weltwährung vorgeschlagen hat. Ohne Erfolg, versteht sich…

Ich möchte sogar noch weiter gehen und behaupte, es gibt überhaupt keine Alternative zu Geldsystemen, denn sie selbst sind das Grundübel. Natürlich gehören immer zwei dazu und das Zweite wären wir Menschen. Denn erst Gier, Ehrgeiz und Egoismus haben einen zügellosen, menschenverachtenden Kapitalismus überhaupt erst ermöglicht. Nun kann man natürlich dagegen halten, also ist der Kapitalismus nicht gescheitert, sondern der Mensch ist nicht reif genug, um damit umzugehen. Dem kann ich nur entgegenhalten, ein reifer Mensch benötigt kein Kapital, kein Geld- und Tauschsystem mehr.

Ein reifer Mensch weiss mit den Ressourcen dieses Planeten zu haushalten und macht sie frei zugänglich für alle Menschen, ohne Gewinnbestrebungen. Ein reifer Mensch beutet auch nicht die Arbeitskraft anderer Lebewesen aus, um sich selbst zu bereichern. Ein reifer Mensch führt auch keine Kriege, um die Schätze seines Nachbarn zu erbeuten und ihn obendrein mit einem scheinheiligen Werte- und Glaubenssystem zu indoktrinieren, damit weitere Ausbeutungen für die Zukunft gesichert sind. Deshalb wird auch jedes Wirtschafts-,Geld- und Glaubenssystem scheitern, weil der heutige Mensch, als auch seine nachfolgenden Generationen, profitverseucht sind. Schlimmer noch, der überwiegende Teil der  Bevölkerung kann sich ein Zusammenleben ohne Gewinne und Profite, geschweige denn ohne Geld- und Währungssystem überhaupt nicht vorstellen und prognostiziert damit den Untergang des Abendlandes.

Doch der Untergang ist schon lange im Gange, denn unsere Erde ist nicht ausgelegt auf Profitmaximierung. Paradoxerweise ist genug für alle da, entgegen aller Behauptungen von Wirtschaftsspekulanten, auch genug für sieben, acht oder mehr Milliarden Menschen. Aber wenn nur eine handvoll Menschen den Löwenanteil der Ressourcen beanspruchen und diese auch noch an den Börsen verspekuliert, um sich selbst zu bereichern, dann wird selbst für diese handvoll Menschen zu wenig übrig sein.

 


 

 

Update 21.02.2013:

Tissy Bruns ist im Alter von 62 Jahren in dieser Nacht einem Krebsleiden erlegen. Sie war langjährige Politische Chefkorrespondentin des Tagesspiegels.

 

 

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3 Comments

  1. Wavatar arnarscho says:

    Leider hast du Recht.
    Der Mensch ist gentechnisch und geistig immer noch auf Steinzeitniveau (“meiner ist aber größer als deiner”) und hat kein Gen für Konfliktlösungen ohne Keule außerhalb seines Höhlenbereichs.

    Ich wollte halt zur Abwechslung mal was utopisches – weil positives – schreiben, der Titel fällt deshalb auch unter die Gattung “Selbstironie”.

    • Wavatar admin says:

      Nein, das war keine Utopie, sondern der Traum der Menschheit. Leider träumen viele Menschen diesen Traum nicht mehr und irgendwann wird er vollends vergessen sein. Und die Ironie dabei ist, ohne Träume wird es den Menschen auch nicht mehr geben…

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