Golf von Mexiko – 1 Jahr danach / Die Katastrophe geht weiter

Die aktuellste Meldung, ein Jahr nach der grössten Ölkatastrophe im Golf von Mexiko lautet, dass BP Transocean, den Plattformbetreiber, auf 27,4 Milliarden Euro verklagen will (5). Und davor erhielten wir im Dezember letzten Jahres die Information, dass die USA BP auf Schadensersatz verklagt haben (3).
20 Milliarden Dollar hat BP in einen Hilfsfond zurückgelegt, wovon bisher knapp 4 Milliarden ausgezahlt wurden u.a. durch sogenannte Einmalzahlungen von 5.000 Dollar pro Privathaushalt und 25.000 Dollar pro Firma, wenn diese auf weitere Klagen verzichten (2).

Doch wie sieht es wirklich aus ? Darüber findet man fast nichts in der Weltpresse. Wen interessiert es schon, wer da wen verklagt ? – Letztendlich werden die Verantwortlichen mit gegenseitigen Schuldzuweisungen ihren Kopf aus der Schlinge ziehen. Und genauso sieht das aus:

Rund 800 Millionen Liter Öl sind ausgelaufen und 7 Millionen Liter toxische Dispergiermittel wurden eingesetzt. Durch die Katastrophe starben 6.000 Meeresschildkröten, 26.000 Seesäugetiere, einschließlich Delfine und Schweinswale. Weitere 82.000 Seevögel verendeten qualvoll. Doch das Sterben geht weiter, denn das Öl, als auch die Unmengen von Dispergiermittel sind ja nicht weg, sondern werden nach wie vor an die Küsten gespült und finden sich nach wie vor in den Sümpfen und an den Stränden, wo sie weiterhin als Zeitbombe ticken. Das gesamte Ökosystem ist auf Jahrzehnte hinüber (9).
Am schlimmsten ist das von BP versprühte Dispergiermittel, welches viermal toxischer ist als das Öl selbst und in England und Europa seit Jahren verboten ist. Nach Ansicht des Chemikers Bob Naman, stellen die Chemikalien in Verbindung mit Rohöl eine noch giftigere Substanz her (4). Nun, was macht man, wenn man Millionen von Liter davon auf Lager hat, es aber nicht mehr verkaufen kann ? – Yes, we can!

Aber auch für die Menschen geht die Katastrophe weiter, wobei Kopfschmerzen, Blutungen, Leber- und Nierenversagen noch die harmloseren Folgen sind (4).

Ich komme kaum noch aus dem Bett. Ich habe Probleme mit dem Atmen. Ich kann mir nichts mehr merken. Ich kann nicht mehr richtig sehen. Ich huste und spucke ständig Blut. Ich bin immer so zittrig und wakelig. Ich kann keine Flasche Wasser aufmachen oder auch nur halten. Die Vergiftung durch die Chemikalien führt bei mir zu Kopfschmerzen. Die Schmerzen sind so stark, dass sie auf einige Hirnnerven drücken, so dass ich Lähmungserscheinungen habe (8).

(Clayton Matherne war Ingenieur)

Natürlich streiten die Behörden einen Zusammenhang mit den Chemikalien ab und somit müssen die Menschen die Kosten für die Behandlungen selbst tragen, wenn sie es denn können. Doch auch die Ärzte wurden angehalten, die Zusammenhänge zu vertuschen und dementsprechend werden dann die notwendigen Untersuchungen und Behandlungen unterlassen, allein schon deshalb, um weitere Ansprüche an BP zu unterbinden (4).

Wie sehr BP diese Dinge am liebsten unter den Teppich kehren würde musste auch Diane Wilson am eigenen Leib erfahren. Diane Wilson ist eine Fischerin der vierten Generation von der Golfküste Texas. Sie wollte am 14. April 2011 auf der BP-Aktionärsversammlung in London den BP Managern den Ethecon Black-Planet-Award  überreichen. Dieser Preis wird von „ethecon – der Stiftung Ethik & Ökonomie“ verliehen für besonders umweltschädigende Konzerne (10). Obwohl Diane eine Einladung hatte, wurde sie für mehrere Stunden verhaftet (7).

Man sollte auch annehmen, dass nach einem Jahr der Katastrophe zumindest die Entschädigungen an die Opfer bezahlt wurden. Weit gefehlt, BP startete sogar etliche Gegenklage, wenn sie der Meinung waren, die Ansprüche der Geschädigten wären zu hoch angesetzt. Aber es kommt noch schlimmer: Selbst die Mitarbeiter des Reinigungstrupps, die sogar gesundheitliche Schäden davontrugen, warten nach wie vor auf ihr Geld (8).

Ich weiß nicht, ob irgendwer sein Geld bekommen hat. Ich habe mein Geld jedenfalls nicht bekommen. Nach Ablauf des Vertrages, der über einen Monat lief (was eine hübsche Summe bedeutet), blieben sie uns noch etwas schuldig. Auch die beiden Boote konnten wir für nichts anderes einsetzen als für die Arbeit bei BP; sie mussten ja in Bereitschaft bleiben. Anders gesagt, schuldet mir BP, gemäß ihres Vertrages, wohlgemerkt, nicht meines (Vertrages): $225 000. Sie sind mit den Zahlungen im Verzug, so nenne ich das. Ich meine, ich habe den Vertrag nicht gemacht, sondern die.

(Louis Bayhi ist Kapitän eines Charterbootes)

Fassen wir mal zusammen:
Auch ein Jahr nach der Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko sind das Meer, die Küsten und die Sümpfe immer noch toxisch belastet. Durch die in Europa verbotenen Chemikalien die BP eingesetzt hat, haben sich Ölklümpchen gebildet, die sich auf dem Meeresboden ablagern. Ebenso ist das gesamte Ökosystem in der Region durch die versprühten Dispergiermittel gekippt, wobei die Langzeitfolgen noch gar nicht absehbar sind. Tiere, Pflanzen und Menschen sind zum Teil so stark gesundheitlich geschädigt, dass sie nur noch auf den Tod warten können. BP hat von den 20 Milliarden Dollar Hilfsfond gerade mal 4 Milliarden Dollar gezahlt. Die schmutzigen Prozesse haben noch nicht einmal angefangen und ein Grossteil der Bevölkerung hat noch keinen Cent gesehen.

Aber auch von der amerikanischen Regierung, vertreten durch den Beauftragten für den BP-Entschädigungsfonds Ken Feinberg (1), ein Jurist aus Boston, ist keine schnelle und unbürokratische Hilfe zu erwarten. Und zum Hohn aller Opfer geht Obama dann kurz nach der Katastrophe mit Töchterchen Sasha medienwirksam baden (6). Und erst vor kurzem erteilte die Regierung neue Tiefseebohrerlaubnisse im Golf von Mexiko ohne Umweltrezensionen. Auch der Konzern Shell erhielt eine Lizenz für Tiefseebohrungen in der Arktis (8/9). Die nächste Küstenstation in der Arktis ist 1200 Meilen entfernt!

The show must go on. – Niemand von den Verantwortlichen interessieren die Katastrophen wirklich. Es geht wie immer nur um Profit. Aber auch das Volk, also wir selbst, unterstützen diese ganzen Umweltverbrechen mit unserem Konsumverhalten. Sprithungrige Geländewagen, Zweit- und Drittwagen und am liebsten der Spritpreis unter einen Euro, heizen die Konzerne natürlich weiter an mit ihrem Raubbau. Spritsparende Autos werden bestenfalls als Einkaufswagen genutzt, oder als Zweitwagen. Dabei wäre es so einfach den Ölmultis die rote Karte zu zeigen, aber wenn Autos als Statussymbole für Freiheit und Unabhängigkeit stehen, so wie es uns die Werbung suggeriert, dann werden wir auch weiterhin den Preis dafür zahlen müssen. Und der wird enorm höher ausfallen als zurzeit 1,60 € pro Liter Super.

Vielleicht sollten wir mal unsere Kinder fragen, ob sie bereit sind für die Umweltsünden der Eltern ihr Leben aufs Spiel zu setzen…

Weitere Infos und Quellen:

Boykottieren wir BP (u. Tochterunternhemen wie AMOCO, ARAL, ARCO, BP-Solar CASTROL, am/pm und WILD BEAN CAFÉ) (10)

Ken Feinberg soll es richten (1)

BP erkauft sich Klageverzicht (2)

Obamas Regierung verklagt BP (3)

Gulf spill sickness wrecking lives (4)

Oil Spills and Disasters 1967-2010

BP verlangt Schadenersatz für Ölpest (5)

Obama badete im Golf von Mexiko – “Strände sind sauber” (6)

Schlamperei und schlechtes Management schuld an Ölpest

Ein Jahr nach der Deepwater-Horizon-Katastrophe / BP und das Geld

Gulf Coast Fisherwoman “Disrupts the Peace” at BP Shareholder Meeting (7)

Voices from the Gulf: “One Year Later, We’re in the Same Situation as Last Year” (8)

Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko – ein Jahr danach /Interview mit Betroffenen aus der Region (8)

Deepwater Drilling Resumes Despite Unclear Impact of BP Spill: “It is All about Hiding the Oil, Not Cleaning It Up” (9)

Obama’s Öllüge

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5 Comments

  1. […] Liter Öl und mehrere Millionen Liter Lösungsmittel Corexit ins Meer flossen, sind die Umweltschäden immer noch verheerend. Aber was noch viel erstaunlicher ist, bis zum heutigen Tag ist noch nicht ein Schuldiger vor […]

  2. […] eine Frage der Zeit. Schwer vorstellbar ist nur, auf die Profite zu verzichten. Wir erinnern uns an die Katastrophe im Golf von Mexiko ? Aber so was ist natürlich in der Ostsee völlig ausgeschlossen. Vergessen wir dabei […]

  3. […] lassen sich damit sowieso nicht mehr rückgängig machen, wie man bei der Katastrophe im Golf von Mexiko beobachten […]

  4. […] in der Nordsee, darf man in Zukunft auf noch grössere Katastrophen hoffen, die selbst den Umweltgau am Golf von Mexico noch übertreffen dürften, prognostiziert Peter Wadhams, Professor für Meeresphysik. […]

  5. […] blog.rekursivparadoxon.eu fanden wir diesen Post lesenwert: Golf von Mexiko ? 1 Jahr danach / Die Katastrophe geht weiter … Im Beitrag heisst es: Die aktuellste Meldung, ein Jahr nach der grössten Ölkatastrophe im […]

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